Hier haben wir wieder einmal eine Berufsgruppe, die zumeist im Verborgenen agiert, für die es sich aber lohnt, mal eine amtliche Lanze zu brechen! Womit ich das Fazit gleich vorwegnehme:
Daumen hoch!
Wer sich viel mit Filmen beschäftigt hört immer wieder das Mantra „Den muss man im Originalton ansehen, die deutsche Fassung ist furchtbar schlecht…“ Die Aussage bezieht sich übrigens immer auf Filme, deren O-Ton Englisch ist – was daran liegen mag, dass Filme anderer Provenienz doch eher ein Nischendasein in TV und Kino fristen. (Arthouse- und Programmkinos ausgenommen, doch da geht bekanntlich nur die immer gleiche kleine Zielgruppe hin)
In der Regel ist dieser Spruch jedoch einfach nur Blödsinn. Okay, Black Adder funktioniert einfach nicht auf Deutsch und wir würden auch niemandem eine synchronisierte Fassung von Loriots Sketchen zumuten wollen. Mir geht es hier aber eher um den durchschnittlichen Kinofilm.
Es stimmt natürlich, dass sich der eine oder andere Wortwitz nicht gut übersetzen lässt. Außerdem muss der übersetzte Text ja auch noch halbwegs zu den Lippenbewegungen im Bild passen. Das allein stelle ich mir schon recht schwierig vor. Wer einmal versucht hat, einen Songtext oder ein Gedicht zu übersetzen und dabei die Form zu erhalten weiß, wovon ich rede.
Nun halte ich meine Englischkenntnisse für vollkommen ausreichend, um mir auch die Originale ansehen zu können. Dabei mache ich jedoch immer wieder die Erfahrung, dass Dialekte oder unsaubere Aussprache das Verständnis doch stark erschweren können. Und machen wir uns nichts vor – die wenigsten Schauspieler kommen vom Theater. Viele der Anderen klingen, als hätten sie die berühmte Wolldecke im Mund. Wenn dann das Drehbuch auch noch Nuscheln vorschreibt, wird das Zuhören schnell anstrengend und permanent von einem „Hä?“ im Kopf gestört.
Ein Beispiel? Man nehme Sling Blade mit Billy Bob Thornton in der Hauptrolle, dessen Genuschel Gert Ruge ganz blass aussehen lässt. Für Nichtamerikaner eine echte Herausforderung.
Untertitel vielleicht? Die sind immer gekürzt und lenken enorm vom Bild ab – das ist in der Regel keine Option!
Unsere Synchronstudios leisten hier ganze Arbeit – auch wenn dadurch Filme oft erst später in einer deutschen Fassung erhältlich sind. Zudem wirken hier bestens ausgebildete Sprecher. Ich gehe sogar davon aus, dass viele Filme für uns besser bis ins kleinste Detail verständlich sind als der Originalton für Native Speaker.
Die Studios blicken hier auf eine über 80jährige Erfahrung und Tradition zurück. Durch diese lange Zeit und die Qualität der Ergebnisse hat sich der deutsche Zuschauer bestens daran gewöhnt, nimmt den Ton nicht mehr bewusst als Synchro wahr und zieht erstaunt die Augenbrauen hoch, wenn er durch Zufall mal den einen oder anderen Hollywoodstar im Interview hört und der so ganz anders als „normal“ klingt.
Mal ehrlich – Gillian Anderson oder Téa Leoni hätten auch nur halb so viel Sex Appeal ohne den unverwechselbaren Klang von Franziska Pigulla.
Natürlich gibt es weit weniger Synchronsprecher bei uns als Schauspieler in Hollywood, wen wundert’s. Und so ist manch einer von ihnen Stammsprecher für gleich eine ganze Reihe von Darstellern.
Ich habe vor ein paar Jahren im Rahmen eines Filmprojekts Thomas Danneberg kennengelernt, die deutsche Stimme von – Achtung:
Dan Aykroyd, Adriano Celentano, Tommy Chong, John Cleese, Billy Connolly, Gérard Depardieu, Rutger Hauer, Giuliano Gemma, Terence Hill, Christopher Lambert, Michael Madsen, Nick Mancuso, Thomas Milian, Franco Nero, Nick Nolte, Dennis Quaid, James Remar, Arnold Schwarzenegger, David Soul, Sylvester Stallone, John Travolta, Bruce Willis (in SL2), Michael York und noch eine ganze Reihe mehr.
Es ist schon spannend, wenn man sich mit jemandem unterhält, dabei die Augen schließt und plötzlich Dennis Quaid gegenüber sitzt (Dannebergs „normale“ Stimme).
Als Zuschauer bekommt man davon in der Regel nichts mit. In den drei Expendables-Filmen (ja, ich weiß, ganz großes Autorenkino) spricht Danneberg Stallone und Schwarzenegger auch in gemeinsamen Szenen.
Bei manchen Darstellern wechselt die Synchronstimme häufig, so dass man aus dem Gedächtnis nur schwer einen typischen Klang zuordnen kann. Donald Sutherland ist so ein Beispiel.
Leider macht sich auch die Werbewirtschaft nur zu gern den Wiedererkennungseffekt zunutze und lässt die Off-Stimme in TV-Spots wie Daniel Craig oder Robert Redford klingen. Nichts gegen Dietmar Wunder oder den unvergesslichen Rolf Schult! Natürlich müssen die Sprecher auch ihren Lebensunterhalt verdienen, wenn aus Hollywood mal grad nichts vorliegt.
Schade ist‘s schon, wenn auch nicht ganz so furchtbar wie der Missbrauch manch wunderbarer Songs für die Hochgeschwindigkeitsverwurstung in Werbespots. Das kann ein solches Stück dauerhaft ungenießbar machen. Doch dazu könnte man wieder ganze Aufsätze schreiben…
mh 30.12.2014